Schloss Pillnitz – Geschichte in fünf Episoden

Gräfin, Sie haben verloren!

Kennen Sie Trick-Track? 1723 kannte man es. Trick-Track war eines von vielen Brettspielen der Hofgesellschaft. Und Schloss Pillnitz war der Ort im Kurfürstentum Sachsen, an dem Spielen nicht nur erlaubt, sondern geboten war. Spielen war eine Form des gesellschaftlichen Lebens! Man muss sich diese wundervolle Gartenanlage wie einen heutigen Spielepark vorstellen, in dem alle Arten des Spielens gepflegt wurden: Wettkampf- und Geschicklichkeitsspiele wie Ballone, Spiele mit dem Körpergefühl wie Schaukeln, Glücks- und Verkleidungsspiele wie Trick-Track oder Bauernhochzeiten.

Dabei war das Spielen nicht einfach nur ein Zeitvertreib und Lustgewinn – auch wenn die Zerstreuungssucht groß war. Nein, das Spielen war soziale Kommunikation und es unterlag den Regeln der höfischen Etikette. 

 

Indianisch was?

Indianisch ist wie vintage! Als Matthäus Daniel Pöppelmann ab 1721 die für Schloss Pillnitz berühmte geschwungene Dachform von Wasser- und Bergpalais kreierte, orientierte er sich für diesen „Designstil“, der heute chinoise genannt wird, an fernöstlichen Architekturformen. Warum? Nun, man glaubte, dass es im Osten ein in jeglicher Hinsicht fantastisches Reich gab; und es war „en vogue“, dieses nachzuahmen. Da die Vorstellungen von diesem Reich vage waren, unterschied man nicht nach Ländern wie China, Japan oder Indien. Im Gegenteil, man stilisierte mit dem Begriff „indianisch“ alle östlichen Importartikel wie Porzellan, Seide oder Lackmöbel.

Die Darstellungen auf den Waren nutzte man als Vorlagen, um sich ein fantastisches Reich zu entwerfen – ein Spiegelbild der eigenen Sehnsüchte und Träume. Und so diente Pöppelmann eine Abbildung der Torhallen des kaiserlichen Audienzsaales in der Palastanlage von Peking als Inspirationsquelle für Wasser- und Bergpalais. Die Stilform der geschwungenen Dächer war so prägend, dass die beiden nachfolgenden Architekten Christian Friedrich Exner und Christian Friedrich Schuricht sie in ihren Erweiterungsbauten fortführten – der Grund für die harmonische Gesamterscheinung der Anlage, die weltweit die größte ihrer Art ist.

 

Feuer!

Am 1. Mai 1818 liegt das alte Pillnitzer Schloss in Schutt und Asche. Der vierflügelige Renaissancebau mit einem langen Logengebäude ist durch eine Unachtsamkeit zerstört! Man hatte neue Küchenöfen übermäßig gefeuert, sodass sich die Rauchzüge in den Zwischengeschossen überhitzten und ein Schwelbrand entstand. Es war dann eine gewisse Gehilfin Weberin, die mit dem Öffnen einer Verbindungstür dem Feuer den Sauerstoff gab und das alte Schloss an allen Ecken und Enden gleichzeitig entfachte. Seit dem 13. Jahrhundert hatte es als Wohnschloss gedient, bis 1788 Kurfürst Friedrich August III. Pillnitz zur Sommerresidenz erhob. Er beauftragte seinen Hofarchitekten Exner, die dazu notwendigen Corpe de Logi – die neuen Wohngebäude – an Stelle der hölzernen Spielgalerien zu errichten.

 

Von da an befanden sich alle Funktionseinheiten, die für die Versorgung des Hofstaates benötigt wurden, im „Alten“ Schloss. Um diese, zusammen mit dem ebenfalls im Brand zerstörten Venustempel, einem achteckigen Festsaal mit anhängenden Pavillons, zu ersetzen, erbaute Schuricht bis 1830 das Neue Palais mit anhängendem Kapellen- und Küchenflügel. Herzstück dieses Neubaus ist der Speisesaal, Sachsens größter klassizistischer Kuppelbau, ausgemalt von dem nazarenischen Hofmaler Carl Christian Vogel von Vogelstein.

 

Gegen Napoleon!

Vom 25. bis 27. August 1791 lädt der sächsische      Kurfürst Friedrich August III. die Vertreter der deutschen Großmächte Österreich und Preußen nach Pillnitz ein. Gerade im richtigen Moment wird Architekt Exner mit den neuen Wohngebäuden fertig. Leopold II., Erzherzog von Österreich und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, und Friedrich Wilhelm II., König von Preußen, können die neuen bergseitigen Wohngemächer von Schloss Pillnitz beziehen. Arrangiert hatte das Treffen ein Urenkel Augusts des Starken, Graf Artois. Damit will er seinen Bruder Ludwig XVI., König von Frankreich, während der Französischen Revolution gegen Napoleon unterstützen. Graf Artois führt 1791 den reaktionären Flügel am französischen Hof an. Mit dem Fürstentreffen will er erreichen, dass die beiden Großmächte offiziell das Ziel verfolgen, seinen Bruder wieder als König einzusetzen.

Der auch daraus resultierende Erste Koalitionskrieg ist der Beginn für Sachsens unrühmliche Rolle in den folgenden napoleonischen Kriegen. Sachsen verliert erst in Jena und Auerstädt gegen und dann in Leipzig mit Napoleon die kriegerischen Auseinandersetzungen. Infolgedessen muss Sachsen mit dem Preßburger Vertrag 1815 schließlich zwei Drittel seines Territoriums an Preußen abgeben.

 

Tausende Blüten

 

Es ist ein karmesinrotes Blütenmeer, das alljährlich von Februar bis April wie ein großer Farbtupfer im noch winterschläfrigen Schlosspark die Besucher anlockt – hervorgebracht von der Pillnitzer Kamelie. Dabei ist diese mittlerweile fast neun Meter hohe Pflanze eigentlich nur ein Strauch aus der Familie der Teestrauchgewächse. Ihre genaue Herkunft ist nach wie vor umstritten. Ihr Alter von rund 250 Jahren aber gilt als sicher und macht sie zur ältesten Kamelie nördlich der Alpen. Die älteste Pflanze in Pillnitz ist sie damit jedoch nicht. Diesen Titel trägt ein um die 300 Jahre alter Pomeranzen-, auch Bitterorangenbaum „Citrus aurantium“.

 

 

Er gehört zu den Ankäufen Augusts des Starken aus den Anfängen der Orangerie im Zwinger, deren Bestand 1880 zu Teilen nach Pillnitz kam. Und, die immer noch im Kübel kultivierte Pomeranze ist sozusagen Inbegriff für die fürstliche, vor allem aber wissenschaftliche Sammelleidenschaft, der wir heute den dendrologisch höchst wertvollen Pillnitzer Pflanzenbestand zu verdanken haben. Gleich einer Gehölzsammlung verteilen sich bemerkenswerte Exemplare aus aller Welt über die vielgestaltigen Gartenbereiche – mit wundervoll klingenden Namen wie Virginischer Schneeflockenstrauch, Igel-Fichte, Schlangenhaut-Kiefer, Persische-Eiche oder Kuchenbaum.


Letzte Änderung: 25.08.2020